Das vor Kurzem umfirmierte Nürnberger Unternehmen ist vor allem für sein Immobilienportal immowelt.de bekannt.
Die Suche nach Wohnungen oder Häusern zum Mieten oder Kaufen ist heute ohne digitale Portale kaum vorstellbar. In diesem Markt agiert das Nürnberger Portal immowelt.de, dessen Betreiberfirma seit diesem Jahr als Aviv Germany GmbH firmiert. Dort finden sich bei einer Stichprobe im März 1 012 Kaufangebote für Wohnungen in Nürnberg mit einem Radius von zehn Kilometern und einem Preis bis 500 000 Euro. Für Erlangen schlägt das Portal 294 Objekte für eine Wohnung mit mindestens drei Zimmern zur Miete vor. Und im Landkreis Ansbach gibt es 25 Treffer bei der Suche nach einem Haus zum Mieten.
Insgesamt kommt immowelt.de auf bis zu 300 000 angebotene Objekte im Jahr. Letztes Jahr registrierte es im August eine Reichweite von 53 Mio. Besuchen. Das erlaubt dem digitalen Marktplatz, aktuelle Markttrends für Häuser und Wohnungen herauszukristallisieren: So stand z. B. unter den angebotenen Häusern das teuerste Objekt in den bayerischen Alpen in der Nähe zum Skilift. Es wechselte letztes Jahr für knapp sechs Mio. Euro den Eigentümer. Die Daten erlauben auch Trendaussagen zu angebotenen Bestandswohnungen. Demnach erreichte die Preiskurve deutschlandweit ihren Höhepunkt im Mai 2022, seitdem registriert immowelt.de einen Rückgang der Immobilienpreise um elf Prozent. In Nürnberg setzte der Preisverfall nach der langjährigen Preisrallye zwei Monate früher ein. Der Quadratmeterpreis ist seitdem überdurchschnittlich um 15 Prozent gefallen. Neben solchen Informationen liefert immowelt.de seinen Besuchern einen Ratgeberbereich zu den Themen Mietrecht, Immobilienkauf und -finanzierung. Felix Kusch, Sprecher der Geschäftsführung von Aviv Germany, schätzt, dass bis zu 60 Prozent der Transaktionen über Makler abgewickelt werden. Der andere Teil geht von Privat an Privat, darunter auch Eigenheime, die als Erbe nicht auf dem Markt erscheinen.
Obwohl die gesamte Baubranche zwischen Garmisch-Partenkirchen und Kiel aktuell eine schwere Krise durchlebt, zeigt sich Kusch für sein Unternehmen – zu dem seit 2015 in Deutschland das Portal immonet.de gehört – optimistisch angesichts eines wachsenden Geschäfts. Denn das Geschäftsmodell lebt nicht von der Anzahl der Inserenten oder der abgeschlossenen Käufe und Vermietungen: Privatpersonen sorgen nur für bis zu sieben Prozent des Umsatzes, rund 20 Prozent steuern Tochterunternehmen und Spezialportale wie bauen.de und umzugsauktion.de bei. Für den Löwenanteil, rund drei Viertel des Geschäfts, sorgt die Maklerbranche: „Mit dem Ukraine-Krieg hat sich der Markt gedreht – hin zu den Maklern.“ Denn die Immobilienvermittler leiden an der gesunkenen Kauflust bei Eigenheimen, auch weil Inflation und gestiegene Darlehenszinsen für einen Spardruck sorgen. Umgekehrt überlegt sich mancher Besitzer, mit einem Verkauf auf bessere Zeiten zu warten. Daher entwickelt Aviv Germany zusätzliche Tools, die die Profis unterstützen. Für den Mietmarkt bekommen Makler z. B. Hilfe, um die oftmals große Zahl an potenziellen Mietern bei der Zusage priorisieren zu können. Dafür nutzt immowelt.de beispielsweise die Informationen aus den Filtern, die die Suchenden ausgefüllt haben. Das können etwa Haustiere im Haushalt sein oder die heimische Übungsstunden eines Saxophonisten. „Wir entwickeln mehr Tools und Services für Makler“, so der Immowelt-Chef. Er stellt aber klar: „Wir machen kein Scoring.“
Vielmehr sieht Kusch das Erfolgsrezept des Portals in der höheren Transparenz. In den Anfangsjahren in den 1990er Jahren sei es gerade für Makler ein Problem gewesen, dass das Geschäft komplett analog war. Auf Zeitungsanzeigen wurde mit Telefonaten oder postalischen Exposés reagiert. Die neue Option, Fotos der Objekte von innen und außen ins Internet zu stellen, sei oft abgelehnt worden. Die Makler erhofften sich aus dem persönlichen Kontakt, gegebenenfalls andere Objekte an den Markt zu bringen. Heute ist es die Regel, dass sich Interessenten mit Bildern, Videos und Grundrissen vorab einen Überblick verschaffen können. Allerdings gibt er zu bedenken: „Die kleinteilige Immobilienbranche ist nicht die digitalisierteste Branche.“ Im Kommen seien mittlerweile auch Videobesichtigungen oder virtuelle Begehungen mit VR-Brillen. An der notwendigen Software wird am Sitz in Nürnberg und den Entwicklerstandorten Hamburg und Berlin getüftelt.
Die Algorithmen von immowelt.de sollen auch neue Suchformen etablieren. So soll künftig der statische Radius um die Stadtmitte durch intelligentere Ansätze abgelöst werden. Dabei wird z. B. einberechnet, wie attraktiv die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist, um die Zeit fürs Pendeln zum Arbeitsplatz zu reduzieren. Ein weiterer Baustein ist die Dialogform mit Kauf- oder Mietwilligen. Aus diesen Angaben, warum ein Vorschlag gefällt oder nicht, lassen sich mit Künstlicher Intelligenz passendere Objekte herausfiltern. Kusch denkt auch daran, wie etwa Paare, die zusammenziehen wollen, einen optimalen Wohnort mit bestmöglicher Fahrtzeit finden – unter Berücksichtigung von Schule, Tennisplatz und unterschiedlichen Arbeitsorten. Dahinter steckt eine klare Ausrichtung: „Wir verfolgen bei unserer Strategie eine 360-Grad-Dienstleistung.“ Dazu tragen auch Special-Interest-Portale als Tochtergesellschaften bei. Dazu zählt bauen.de, ein Fachportal für Bauherren, Eigenheimbesitzer und Renovierer, mit herstellerunabhängigen Praxistipps für Heimwerker und Sanierer – von Anleitungen bis zum Vergleich von Materialien. Über das Portal umzugsauktion.de finden sich über 600 Umzugsfirmen. Letztes Jahr kam noch das Portal neuraum.de hinzu, das als Online-Hausbauplattform Bauinteressierte mit Bauunternehmen zusammenbringt.
Vielfältiges Immobiliengeschäft
Zu Aviv Germany gehört auch Estate, der hauseigene Anbieter für Immobilien-Software, und die Mehrheitsbeteiligung an der Immosolve GmbH im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt. Mit Immosolve lässt sich der Vermietungsprozess optimieren und beschleunigen. Die Software-Module von Estate unterstützen Makler beim kompletten Vermarktungsprozess und bieten spezielle Features für die Vermarktung von Großprojekten. Diese Software resultiert aus den Anfängen von Immowelt, als das Unternehmen 1991 in Nürnberg als Software-Schmiede Dataconcept GmbH an den Start ging. Quasi nebenbei entstand das Portal immowelt.de, sodass im Jahr 2000 die Umfirmierung in Immowelt AG erfolgte. Die Axel Springer SE hielt an den 2015 fusionierten Portalen immowelt.de und immonet.de die Mehrheit. 2018 kam immowelt.de zur neu gegründeten Aviv Group, einer hundertprozentigen Tochter von Axel Springer. Drei Jahre später erfolgte die Umfirmierung von der AG in eine GmbH und im Februar 2024 die Umbenennung in Aviv Germany. Zur Aviv Group gehören unter anderem die französische Immobilienplattform seloger.com, der Immobilienbewertungs-Anbieter meilleursagents.com sowie das belgische Immobilienportal immoweb.be.
Auf die Umsatzzahlen angesprochen, verweist Kusch, der zuvor im Springer-Konzern aktiv war, auf die Konzernbilanz: Demnach sei für Immowelt zuletzt für 2019 ein Umsatz von 110 Mio. Euro ausgewiesen worden. Seitdem sei man zweistellig gewachsen und arbeite profitabel. Ende 2023 beschäftigte immowelt.de ohne Töchter 443 Mitarbeiter, davon 320 in Nürnberg. Ein Jahr zuvor arbeiteten in den Büros im Nürnberger Nordostpark 356 Beschäftigte. (tt.)